Stolpersteine geputzt
Veröffentlicht am 10.11.2024, 17:25 Uhr
Am gestrigen 09. November, dem Tag, der in der deutschen Geschichte schon mehrfach eine besondere Rolle einnahm, putzen Mitglieder der Wilsteraner SPD-Fraktion im Rathaus die vier Stolpersteine vor dem Alten Rathaus der Stadt Wilster. Unser Bild zeigt von links: Karin Lewandowski, Fraktionsvorsitzende der Rathausfraktion und stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Wilster, Manfred Bauch, bürgerliches Mitglied in städtischen Gremien, Bernd Hannemann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Jürgen Boll, Ratsherr, und Ratsfrau Kirsten Hillebrecht-Kahl.
Die Stolpersteine sollen an Opfer der nationalsozialisitischen Gewaltherrschaft erinnern. Der Künstler Gunter Demnig hat in den letzten 20 Jahren über 100.000 Stolpersteine in 31 Ländern Europas verlegt.
Stolpersteine sind mit einer Metallplatte versehene Pflastersteine, in die die Namen von Opfern der NS-Zeit und deren Lebensstationen eingeprägt sind. Die Steine werden im Pflaster von Gehsteigen verlegt, um an Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Es soll damit deutlich gemacht werden, dass die Verfolgung nicht nur in den Konzentrationslagern und Gefängnissen der NS-Zeit stattfand, sondern oft dort, wo die Menschen lebten, arbeiteten und zu Hause waren, ihren Anfang nahm. Hier in Wilster haben diese Menschen genauso wie wir heute die Gehwege und Straßen genutzt, deshalb soll mit den Steinen im Gehweg mitten in der Stadt ihrer gedacht werden. Auch in Wilster wurden Menschen in der NS-Zeit verfolgt, dafür stehen stellvertretend auch für weitere Opfer insbesondere diese 4 Menschen, von denen wir heute wissen, dass drei von ihnen diese Zeit nicht überlebten:
Die Eheleute Bielenberg waren hier am Audeich zu Hause. Sie hatten sich schon vor 1933 der Glaubensgemeinschaft der Ernsten Bibelforscher (heute: Zeugen Jehovas) zugewandt. Allein dies war der Grund dafür, dass die beiden mehrfach inhaftiert wurden, dass ihnen das Sorgerecht für ihre Kinder genommen wurde und dass Heinrich Bielenberg nach Inhaftierung in Gefängnissen später in das KZ Sachsenhausen bei Berlin deportiert wurde. Tine Bielenberg konnte diesem Schicksal nur entkommen, indem sie schließlich unter Zwang erklärte, nicht mehr ihrem Glauben anzuhängen. Heinrich Bielenberg verstarb 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen.
Heinrich Krützer war in Stadtfeld geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugend in Wilster, schließlich wurde er Seemann und geriet in Hamburg in die Fänge der NS-Justiz, als ihm im Zusammenhang mit politischen Aufmärschen eine Beteiligung an Brandstiftung und an einer Körperverletzung vorgeworfen wurde. Beide Vorwürfe sind offenkundig unbewiesen, führten aber dennoch zur Verurteilung, zu Gefängnisstrafe und späterer Deportation ins KZ Sachsenhausen. Dort wurden Häftlinge zum Bombenräumen abkommandiert, ihnen wurden Versprechungen gemacht, dass nach erfolgreichen Bombenräumungen Erleichterungen oder gar Entlassung aus dem KZ folgen würde. Im März 1941 war es wieder soweit, dass Bombenräumung anstand. Heinrich Krützer hat den Einsatz nicht überlebt.
Hans Prox war Vorsitzender des Bauarbeitervereins und SPD-Ratsherr, als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen. Schnell wurde er als Gegner der neuen Machthaber identifiziert und im März 1933 wurde er in Wilster auf dem Markt verhaftet, da er eine Gefahr darstelle. Verfolgung, Inhaftierung folgten. Bis 1944 verhielt sich Hans Prox dann vergleichsweise ruhig, zumindest ist uns heute nichts mehr an Aktivitäten bekannt. Aufgrund der Aktion „Gewitter“, die von den Nationalsozialisten wegen der sich schon abzeichnenden Niederlage umgesetzt wurde, haben auch die Wilsteraner Nationalsozialisten noch einen der Gegner des Systems ans „Messer“ geliefert: Warum die Wahl auf Hans Prox fiel, ist nicht überliefert, aber Hans Prox wurde verhaftet und ins Konzentrationslager Neuengamme deportiert. Dort verstarb er im Februar 1945.